Ich denke, also bin ich (gut)?
Ein Plädoyer für die Selbstreflexion.
... Ist das eigentlich so richtig, was ich hier mache? Kann ich mit dem, was ich tue, wirklich die Welt verbessern? Oder sollte ich doch besser etwas anderes tun? Aber was? Und wie kann ich das dann richtig machen…?
Kommt euch das bekannt vor? Das Gedankenkarussell dreht sich und eigentlich möchte man nur einfach mal „ganz normal vor sich hin leben“, ohne sich ständig zu fragen, was man da eigentlich tut und wieso überhaupt. „Wieso muss ich mir eigentlich ständig solche Gedanken machen?“ fragt man sich zum tausendsten Mal, während das schmunzelnde Gegenüber, dem man gerade sein Leid klagt, mal wieder deutlich macht, dass man sich wirklich "zuuuuu viel Kopf macht“.
„Overthinking“ nennen wir die Gedankenflut. Das Denken über das Denken oder in der psychologischen Fachsprache: Metakognition. Das klingt wichtig – ist es auch. Denn Metakognition, besser bekannt als „Selbstreflexion“, hilft uns, (verantwortungs-)bewusst zu handeln.
Wenn wir spazieren gehen, uns unterhalten, selbst wenn wir einfach nur mit geschlossenen Augen auf der Wiese liegen – ständig passiert Wahrnehmung und das bedeutet: Ständig Denken wir! Unsere Sinne sind dabei das Tor zu unserem Geist. Über sie nehmen wir Informationen als Sinnesreize (Hören, Sehen etc.) aus der Umwelt wahr. Sobald wir diese im Gehirn geordnet haben, verknüpfen wir sie unweigerlich mit unseren bestehenden Erfahrungen, unserem Wissen und unseren Gefühlen - und sind schon mitten drinnen im Denken. Wir denken zunächst einmal auf "Autopilot", also unterbewusst auf Basis unserer bestehenden Erfahrungen. Das ist evolutionär bedingt wichtig: Wir haben früh gelernt, wie wir auf Situationen angemessen reagieren müssen. Und eben diese Reaktion erfolgt dann als Ergebnis unseres Denkens häufig unterbewusst und impulsiv. Das heißt, so richtig aktiv beteiligt sind wir oft nicht daran, wie wir handeln, fühlen, entscheiden. Und das hat zur Folge, dass wir häufig nicht angemessen, zielführend oder verantwortungsvoll handeln.
Selbstreflexion ist die Fähigkeit, die impulshafte Reaktion auf Wahrgenommenes durch eine aktive, kontrollierte Reaktion zu ersetzen. Wenn wir uns selbst reflektieren, sehen wir uns quasi aus der Vogelperspektive dabei zu, was mit den vielen Informationen passiert, die wir sekündlich aus der Umwelt aufnehmen. Selbstreflexion erlaubt uns also einen Blick hinter die Kulissen unseres eigenen mentalen Verarbeitungsprozesses. Spitzen wir hinter den Bühnenvorhang, enttarnen wir unser Gehirn, wie es Handlungsanweisungen gibt. Und das hat einen entscheidenden Vorteil: Wenn wir wissen, wie unser Gehirn funktioniert, können wir aktiv mitsteuern! Man vergleiche es mit einem Fahrrad: Wenn wir wissen, wie das Fahren funktioniert, können wir aktiv steuern, ob es nach rechts auf die Wiese oder nach links in den Wald gehen soll. Selbstreflexionsfähigkeit bedeutet also, dass wir erkennen können, welche Faktoren den Lernprozess neuer Dinge blockieren oder befördern, welche Faktoren negative oder positive Emotionen auslösen und welche Faktoren welche Handlungsauswirkungen haben. Ganz konkrete bedeutet das für uns,
- ... dass wir in Entscheidungssituationen das Gesamtbild sehen können und nicht dem ersten Impuls folgen. So können wir die möglichen Auswirkungen unterschiedlicher Lösungswege erkennen und abwägen.
- ... dass wir Denkmuster „enttarnen“ können und neue Denkmuster ausbilden können. Wir werden flexibel im Denken und unser Kopf kann die Richtung ändern, um alles und alle im Blick zu behalten.
- ... dass wir selbstkritisch sind und bleiben. Feedback und Input von anderen kann verarbeitet werden, da wir erkennen, wo und wann ein anderes Denkmuster als unser bestehendes von Vorteil ist.
Selbstreflexion ist damit ein wesentliches Fundament für verantwortungsvolles unternehmerisches Handeln. Ethisch und authentisch Führen und Handeln bedeutet, das eigene Denken aus der Vogelperspektive reflektieren zu können. Sich seiner eigenen Stärken und Schwächen, seiner Werte, Identität, Emotionen und Ziele bewusst zu sein. Das ist Voraussetzung dafür, auch Entscheidungen treffen zu können, die den eigenen ersten Impulsen widersprechen, dafür aber Gesellschaft und Umwelt einen großartigen Dienst erweisen.
Ein(e) passende(r) Begleiterin kann dabei helfen, sich über sich selbst bewusst zu werden. Das Denken über sich selbst kann mit einem/einer Sparringspartner(in) in sinnvolle Bahnen gelenkt werden - Von der Grübelei zur Selbsterkenntnis!
Du suchst einen Sparringspartner oder möchtest Dich einfach mal über dieses oder ein anderes Thema austauschen? Dann schreib mir an sophia@subkultur-coaching.de. Ich freue mich, von Dir zu lesen!
Quellen:
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